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Gaius Valerius Catullus
Catull's Feder

Carmen 8 - fulsere quondam candidi tibi soles

Hier wird Catulls "Carmen 8" mit Vokabelhilfen, Übersetzung, Versmaß & Stilmittel und Interpretation zur Verfügung gestellt.




I. Lateinischer Text

Miser Catulle, desinas ineptire
et quod vides perisse, perditum ducas.
Fulsere quondam candidi tibi soles,
cum ventitabas, quo puella ducebat

(5) amata nobis, quantum amabitur nulla!
Ibi illa multa cum iocosa fiebant,
quae tu volebas nec puella nolebat.
Fulsere vere candidi tibi soles.
Nunc iam illa non vult: tu quoque, impotens, noli

(10) nec, quae fugit, sectare nec miser vive,
sed obstinata mente perfer, obdura.
Vale, puella! Iam Catullus obdurat
nec te requiret nec rogabit invitam.
At tu dolebis, cum rogaberis nulla:

(15) Scelesta vae te ! Quae tibi manet vita?
Quis nunc te adibit? Cui videberis bella ?
Quem nunc amabis? Cuius esse diceris?
Quem basiabis ? Cui labella mordebis ?
At tu, Catulle, destinatus obdura.

Weitere Angaben / Hilfestellungen

quod vides perisse: periisse, Relativsatz als Objekt zu ducere
fulsere: fulserunt
nobis: Dativ auctoris
nec...non: verstärkte positive Aussage
miser: prädikativ gebraucht
nulla: prädikativ
cui: Dativ auctoris
Cuius esse diceris?: wörtlich: "Wessen wirst du heißen?" ? "Wessen Freundin wirst du heißen/ sein?"

Satzbauhilfen

Zeile 2: erst Hauptsatz übersetzen, dann den Rest gleichzeitig
Zeile 3: "quondam" muss vorgezogen werden
Zeile 8: "vere" muss vorgezogen werden




II. Übersetzung

(Text aufdecken / Text zudecken)

Unglücklicher Catull, hör auf dich wie ein Narr zu verhalten
und halte für verloren, was, wie du siehst, verloren gegangen ist.
Einst leuchteten dir glänzende Sonnen,
immer wenn du gingst, wohin dein Mädchen dich führte,

(5) das von dir geliebt wurde (so sehr), wie keine geliebt werden wird!
Immer wenn dort jene vielen neckischen Dinge geschahen,
die du wolltest und die auch das Mädchen nicht ablehnte,
strahlten dir wahrlich glänzende Sonnen.
Jetzt will jene nicht mehr: Auch du Wehleidiger sollst nicht

(10) mehr wollen und verfolge nicht die, welche flieht, und lebe nicht elend,
sondern mit standhaftem Sinn ertrage es: Sei hart.
Leb wohl, Mädchen! Schon ist Catull hart
und wird dich nicht mehr suchen und wird dich nicht gegen deinen Willen bitten.
Aber dir wird es Leid tun, wenn du nicht mehr gebeten wirst.

(15) Miststück, weh dir! Welches Leben wird dir bleiben?
Wer wird jetzt zu dir kommen? Wem wirst du schön erscheinen?
Wen wirst du jetzt lieben, zu wem wirst du gehören?
Wen wirst du küssen? Wem wirst du in die Lippen beißen?
Aber du, Catull, bleibe standhaft und hart.




III. Versmaß und Stilmittel

"Versmaß: Hinkjambus"




IV. Interpretation

Gliederung & Stilistische Beobachtungen

1.Teil (Z. 1&2): Catull spricht zu sich und fordert sich auf Lesbia zu vergessen. Eine Aufforderung zur Härte.
Härte (Catull soll über die Beziehung mit Lesbia hinweg kommen)

2.Teil (Z. 3-8): Begrenzung durch einen Schaltvers ("fulsere candidi tibi soles").
In diesem Teil schreibt Catull immer im Imperfekt, was einerseits eine weitere Begrenzung des Teils ausdrückt und
andererseits die Erinnerung an die schönen, vergangenen Zeiten mit Lesbia darstellt.
Vergangenheit (Catull denkt an die Beziehung zurück)

3. Teil (Z. 9-14): In diesem Teil scheint es, als gäbe es einen außenstehenden Ich-Erzähler,
der einerseits mit Catull und später in diesem Teil mit Lesbia spricht. Der Ich-Erzähler mahnt Catull erneut hart zu sein,
deshalb ist der überwiegende Modus in diesem Teil Imperativ.
Härte (Catull soll aufhören darüber nach zu denken, Lesbia ist gegangen!)

4. Teil (Z. 15-18): In diesem Teil spricht Catull Lesbia direkt an und stellt ihr Fragen, wie ihre Zukunft aussieht.
Deshalb ist das überwiegende Tempus in diesem Teil Futur.
Zukunft (was wird Lesbia ohne ihn machen?)

5. Teil (Z. 19): Wieder ermahnt sich Catull selbst hart zu sein.
Härte (sie kann ihm doch egal sein)

Versuch einer Gesamtdeutung des Gedichts

Dieses Gedicht dient dazu, dass Catull über die Beziehung zwischen ihm und Lesbia hinweg kommt.
Aber so richtig will es ihm nicht gelingen, weil er immer wieder in Gedanken zu seiner Lesbia zurückkehrt.
Da seine Vergangenheit, seine Zukunft und seine Gegenwart von den Gedanken an Lesbia bestimmt sind, kommt Catull von ihr nicht los.