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Gaius Valerius Catullus
Catull's Feder

Carmen 2 - tristis animi levare curas

Hier wird Catulls "Carmen 2" mit Vokabelhilfen, Übersetzung und Interpretation zur Verfügung gestellt.




I. Lateinischer Text

(1) Passer, deliciae meae puellae,
quicum ludere, quem in sinu tenere,
cui primum digitum dare appetenti
et acris solet incitare morsus,

(5) cum desiderio meo nitenti
carum nescio quid libet iocari
ut solaciolum sui doloris,
credo, ut gravis acquiescat ardor,
tecum ludere sicut ipsa possem
(10) et tristis animi levare curas.




II. Übersetzung

(Text aufdecken / Text zudecken)

Passer, Liebling meines Mädchens,
mit dem sie gewohnt ist zu spielen, den sie in ihrem Schoß zu halten,
dem sie ihre Fingerspitze zu geben gewohnt ist, wenn er danach pickt,
und dessen heftige Bisse sie zu reizen pflegte, jedes Mal,
(5) wenn es meiner strahlenden Traumfrau
beliebte irgendeinen lieben Scherz zu treiben,
wie ein Trost in ihrem Schmerz, um,
glaube ich, ihre heftige Sehnsucht zu beruhigen,
könnte ich doch nur so wie sie selbst mit dir spielen
(10) und mein Herz von dem traurigen Liebeskummer erleichtern.




IV. Interpretation

Das Gedicht hat zwei Teile: Zuerst beschreibt Catull, was sein "Mädchen" alles mit dem Spatz tut,
ehe er über seine und ihre Gefühle berichtet und wie diese Bezug auf den Spatz nehmen.
Stilistisch kann man beobachten, dass das ganze Gedicht dadurch, dass es aus nur einem Satz besteht,
ein geschlossenes Ganzes ergibt. Durch verschiedene Konjunktionen verbindet Catull die vielen Teilsätze,
so dass der Lesefluss nicht unterbrochen wird. Weiter kann man beobachten,
dass Catull eine Iteratio benutzt hat, im Bezug auf sein anderes Gedicht über einen Sperling.
Genauso kann man eine langsame Steigerung in den Interaktionen zwischen Mädchen und Spatz erkennen in Form einer Klimax.
Interessant dabei ist, dass Catull noch ein zweites Gedicht über einen Spatz schrieb.
Während aber das hier vorliegende Gedicht eher von Sehnsucht handelt, ist im anderen Gedicht die Rede davon, dass der Spatz tot ist.
Obwohl dies ein sehr kurzes Gedicht ist, hat es dafür erstaunlich viele Arten, wie man es verstehen kann.
Ingesamt gibt es vier Arten, wie man den Text deuten kann.
Die Erste: Catull beschreibt einfach nur, wie ein Mädchen mit seinem Haustier spielt.
Als zweites könnte man es so interpretieren, dass Catull das Mädchen liebt und eventuell eifersüchtig auf ihr Haustier ist,
weil er solch eine Nähe zu seiner Angebeteten nicht genießen kann.
Wenn man jedoch mit einbezieht, dass "passer" nicht nur Sperling bedeutet,
sondern das entsprechende Wort im Griechischen auch Phallus bedeutet,
ändert sich der Sinn des Gedichtes wieder. So kann man dann von einer Affäre lesen.
Als letzte Weise der Interpretation bleibt übrig, dass im Lateinischen die Gedichte keine Titel hatten wie heute.
Stattdessen bestand der Titel aus der ersten Zeile des Gedichtes.
Also ist das hier vorliegende Gedicht "Passer" genannt worden. Man sollte vorher wissen,
dass Catull einer damals neuartigen Dichtung nachging, die als "ludere" bezeichnet wurde.
Catull wünschte sich, er könne seinen Liebeskummer durch sein Dichten erleichtern.